PANIK IM KÖRPER: eine beispielhafte Sitzung. TEIL 2

Wenn das Früher im Heute auftaucht – Trauma und Panik im Körper
Nicht jede Panikattacke ist ein Rätsel. Manchmal ist sie ein Echo. Ein Echo auf etwas, das der Körper erinnert – auch wenn der Kopf es längst vergessen oder weggeschoben hat.
In der Arbeit mit Menschen wie Anton* zeigt sich oft: Was heute als Angst erlebt wird, ist nicht neu. Es ist eine alte Reaktion, die nie abgeschlossen wurde. Eine, die keinen Ausdruck finden durfte, als sie ursprünglich entstand – und sich deshalb den Körper als Bühne gesucht hat.
4. Sitzung – der Körper erinnert sich
Anton wirkt heute ruhiger als beim letzten Mal. Er erzählt, dass er in einer vollen Bahn saß, die Türen schlossen, und ihm wurde plötzlich schwindlig, die Kehle schnürte sich zu, und er dachte: „Ich muss hier raus – sofort.“ Er hat die Situation nicht verlassen. Stattdessen erinnerte er sich an unsere Arbeit: spüren, atmen, benennen, bleiben. Und es gelang ihm, durch die akute Angst zu kommen. Ich frage ihn, was genau in diesem Moment so beängstigend war.
„Es war nicht die Enge – es war das Gefühl, dass niemand merkt, wie schlimm es ist. Dass ich einfach da drin bin – und keiner sieht mich.“ Ein Satz, der sich fast nebenbei anfühlt. Und doch öffnet er etwas.
Die Ebene darunter
Ich bitte Anton, sich in eine Position zu begeben, in der er sich sicher fühlt. Ich sitze neben ihm und lege eine Hand auf seine untere Brustmitte, die andere auf den Bauch. Sanft, ruhig, haltgebend. Sein Atem ist flach, seine Schultern leicht angehoben. Ich bleibe mit meiner Berührung präsent und lade ihn ein, bei dem Gefühl zu bleiben, das aufkam, als er sagte: „Keiner sieht mich.“ Sein Körper reagiert sofort. Die Atmung stockt, die Hände spannen sich an, Tränen steigen auf.
Er flüstert: „Das war früher so. Ich habe geschrien – und niemand kam.“

Das Unaussprechliche bekommt Raum
Ich bleibe in der langsamen Begleitung, verbal und durch die Berührung. Ich halte Kontakt mit seinem Atemrhythmus, benenne, was ich spüre: „Dein Brustkorb wird eng, du ziehst dich leicht zurück. Ich bin da. Du musst es nicht alleine halten.“ Es folgen Bilder, Worte, Bruchstücke. Ein dunkles Zimmer. Eine Tür, die nicht geöffnet wurde. Eine kindliche Hilflosigkeit. Es ist kein vollständiges Erinnern – eher ein körperliches Wiedererleben in sicherem Rahmen.
Ich leite ihn behutsam, die Spannung im Zwerchfell, in den Händen, im Gesicht wahrzunehmen – und wieder loszulassen. Stück für Stück.
Integration beginnt im Spüren
Nach einer Weile wird seine Atmung tiefer. Er beginnt zu zittern – nicht aus Panik, sondern weil etwas Altes den Körper verlässt.Ich halte weiter physisch und verbal Kontakt, bis die Erregung abnimmt.
Er öffnet die Augen. „Das war wie… ich war wieder da. Aber ich war nicht allein.“ Ich nicke. Das ist der Kern. Nicht mehr allein sein mit dem Alten, das macht Heilung möglich.
Stille
Am Ende der Sitzung sitzen wir still. Ich spüre, dass sich etwas verschoben hat. Kein großes Drama, kein „Durchbruch“. Aber ein spürbarer Unterschied: mehr Boden, mehr Atem, mehr Präsenz. Anton sagt: „Ich hab immer gedacht, es ist mein Körper, der spinnt. Aber er hat mich die ganze Zeit beschützt.“.
Was in der Tiefe verarbeitet wird – und wie es sich zeigt
Traumatische Erfahrungen leben im Nervensystem, in Strukturen, in Reflexen. Deshalb braucht es Verkörperung, Verlangsamung, Berührung und auch Verständnis– damit der Mensch sich neu erfahren kann:
Ich bin sicher. Ich bin da. Ich werde gesehen.
*Anton ist anonymisiert