Panik im Körper: eine beispielhafte Sitzung. TEIL 1

Wenn Angst den Körper übernimmt – und wie wir mit ihr bleiben können
In einer Gesellschaft, die Kontrolle und Funktionieren betont, scheint für Angst kaum Platz zu sein. Dabei ist sie ein ureigenes Warnsignal. Doch was passiert, wenn sie sich nicht auf etwas Konkretes richtet? Wenn sie plötzlich, körperlich spürbar und unerklärlich wird?
Antons* Geschichte
Anton* kommt durchgeschwitzt zu mir. Die U-Bahn war kaum auszuhalten: Blicke, Gerüche, Stimmen, Enge. Sein Fokus verengt sich, er bekommt schlecht Luft, fühlt sich gefangen. Auch zu Hause tritt das auf – vor allem, wenn er allein ist.
Er versteht nicht, was mit ihm passiert. Seine Ärztin sagt: Panikattacken. Doch er fragt sich: Warum? Ihm „geht es doch eigentlich gut.“
Wenn Angst keinen Namen hat
Ich spüre, wie sein Körper unter Strom steht. Der Alarm ist an – ohne sichtbare Gefahr. Kein Löwe, keine Bedrohung. Und genau das macht es so schwer: Nicht zu wissen, warum, macht noch mehr Angst.
Der Körper beginnt, harmloses wie einen Blick, einen Geruch oder ein Klopfen im Brustkorb als Bedrohung zu interpretieren. Eine Spirale beginnt.
Der Körper wird zum Gegner
Anton versucht, seinen Körper nicht zu spüren – aus Angst, es nicht auszuhalten. Doch für mich ist klar: Der Körper ist nicht das Problem, sondern Teil der Lösung.

Erste Berührungen – erste Veränderung
Ich lade ihn ein, sich auf die Atmung zu konzentrieren. Ich lege eine Hand auf seinen oberen Rücken, eine andere an den seitlichen Brustkorb. Seine Atmung ist schnell, flach.
Mit Berührung und Anleitung wird sie langsamer, tiefer. Für Anton ein spürbarer Unterschied. Er merkt: „Ich kann etwas beeinflussen.“
Die Kehle wird eng
Auf meine Frage, was er bei Panik spürt, sagt er: „Ein Kloß im Hals.“ Ich lege eine Hand an den Halsansatz, die andere auf den Brustkorb. Ich begleite ihn, die Spannung bewusst zu spüren – und dann loszulassen.
Die Atmung vertieft sich, die Kehle öffnet sich. Kleine Veränderung, große Wirkung.
Erkennen, was geschieht
Ich erkläre, was passiert ist: Eine an sich harmlose Empfindung wurde zur Bedrohung – aber er konnte bleiben, wahrnehmen, handeln.
Das bringt Erleichterung – und ein erstes Gefühl von Sicherheit.
Wiederholung bringt Sicherheit
In weiteren Sitzungen begegnen wir weiteren Auslösern: Herzklopfen, Schwitzen, Übelkeit. Ich arbeite mit gezielter Berührung: am Solarplexus, den Schlüsselbeinen, den Händen.
Anton beginnt, nicht mehr gegen den Körper zu kämpfen. Er bleibt. Und gewinnt Vertrauen.
Tiefer liegende Angst
Wir erkennen gemeinsam: Die Panik hat mit der Angst zu tun, nicht verbunden zu sein. Eine alte Erfahrung, die heute noch wirkt – und durch kleine Auslöser wachgerufen wird.
Berührung wird hier zur Brücke: zwischen Körper und Gefühl, zwischen Vergangenheit und Gegenwart.
Nicht abwehren – sondern begleiten
Die Angst muss nicht weg. Sie will verstanden, gehalten und begleitet werden.
Mit dem Körper. Mit Berührung. Im Kontakt.
*Anton ist anonymisiert